Yoga und Lebenserfahrung
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Immer wieder erlebe ich das Wechselbad meiner Gefühle. Immer mehr werde ich gewahr, dass meine Lebenserfahrung das Spiel meines Bewusstseins ist.
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Weltbilder entstehen aus momentanem, aus individuellem und kollektivem Verständnis vom Leben.
Fehlt die grund- und bedingungslose Liebe in meinem Leben, dann habe ich den Bezugspunkt in mir verloren. Ich habe mich selbst verloren und mache mich auf die Suche nach mir selbst. So werde ich ansprechbar auf jeden Reiz von aussen, der mir verspricht, Liebe zu erfahren: ich will lieben und mich selbst geliebt wissen. Damit begebe ich mich in Abhängigkeit, weil ein Austausch von Liebe ein Gegenüber bedingt. Es sind also ein Grund (der verlorene Bezugspunkt in mir) und eine Bedingung (das Gegenüber) für die Erfahrung von Liebe entstanden.
Durch die Suche nach Liebe erfahre ich all die Eigenarten, wie sich Liebe in meiner Kultur ausdrückt: nämlich in Form von Aufmerksamkeit, Beachtung, Fürsorge, Anerkennung, Förderung, Anpassung, Rücksichtnahme, Bewunderung, Achtung, Verehrung, Zärtlichkeit, Geschenken, Belohnung, gemeinsamer Zeit und gemeinsamem Besitz.
Die Liebe – nun nicht mehr grund- und bedingungslos – nimmt Formen an, die geschenkt und wieder entzogen werden können. In erlebe das Wechselspiel von Macht und Ohnmacht, von Vertrauen und Misstrauen, von Angst und Liebe in der Beziehung mit anderen Menschen und damit in mir selbst.
Jeder Gemeinschaft, jeder Kultur liegt ein Selbstbild, ein Weltbild und damit ein Selbstverständnis zugrunde, aus dem Werte und Urteile hervorgehen. Diese unterstehen einem steten Wandel.
Im Zusammensein mit andern Menschen lerne ich die Vergänglichkeit und ihre Gesetzmässigkeit erfahren. Ich erkenne mich mehr und mehr als Mensch unter Menschen, die im Grunde nichts voneinander unterscheidet. Alle stehen im Spannungsfeld zwischen Geburt und Tod, zwischen Schmerz und Freude, zwischen Entbehrungen und Erfüllung.
Es ist die Liebe
Es ist die Liebe, die meinem Leben Sinn gibt. Jeder Moment, den ich nicht in der Liebe lebe, ist ein dunkler, schmerzlicher Moment.
Hier setzt das Bewusstsein ein, das sich ein Mensch zu nutze machen kann. Es fordert mich heraus, mehr und mehr meine Gefühle wahr- und anzunehmen und ihnen zu vertrauen, damit ich mein eigenes Unterscheidungsvermögen, unabhängig von anderer Leute Meinung, entwickeln kann. Damit gewinne ich meinen Bezugspunkt in mir wieder zurück, denn Gefühle sind unbestechlich in der Wahrnehmung. Sie haben ihren Sitz im Herzen.
Hingegen bin ich – die diese Gefühle auch mit Kopf und Bauch erlebt – immer wieder wählerisch und käuflich: einige will ich um jeden, und einige um gar keinen Preis haben! Dabei hilft mir ja gerade das Wechselbad meiner untrüglichen Gefühle, das Spiel des Bewusstseins in all meinen Ideen, Bildern und Konzepten wahrzunehmen.
Ich gehe meinen Weg. Wohin führt er mich? Über viele Umwege immer wieder zu mir selbst zurück, in mein Herz, diesem namenlosen Ort der Stille. Dort erfahre ich immer wieder von neuem mein grund- und bedingungsloses Lieben und mein Mitfühlen, das unabhängig von meinem momentanen Verständnis vom Leben ist.